IT für Quereinsteiger und -denker

„Herr Vach, Sie kommen von der Universität und können mit den Dingern sicher was anfangen“ so lautete der Beschluss des damaligen kaufmännischen Vorstandes der Westfalen AG. Gemeint waren PCs.

Eigentlich hatte ich ja Mineralogie mit Schwerpunkt Kristallographie studiert. Für Mineralogen war die „Erfindung“ von Rechnern ein Segen, denn die Berechnung komplizierter Kristallstrukturen konnte bis dahin schon einmal Generationen dauern. Als Mineraloge kannte man sich daher mit Rechnern und Programmen aus. Eine Anstellung in der damals aufkommenden IT-Branche war nur folgerichtig, vor allem, weil der Bedarf an Mineralogen deutlich geringer war.

Bis dahin hatte ich mich bei Westfalen hauptsächlich mit der Programmierung einer multilinearen Regression für Großrechner (Unisys 1100 und später Unisys 2200) beschäftigt. Mein Programm diente der Bedarfsvorhersage. Heute melden die Versorgungseinheiten bei unseren Gasekunden den Bedarf per Datafer, damals mussten wir die Bedarfe noch vorhersagen. Aber eben so genau wie möglich 🙂 und computergestützt.

Vom Großrechner zum PC

Nun also Personal Computer. Die, wie der Name schon sagt – ganz anders als Großrechner – für die Bedienung durch nur eine Person konzipiert sind.

sperry
Meine Kollegen arbeiteten damals auf den Großrechnern 90/30 bzw. 2200 von Unisys. Die Unisys 90/30 war noch in Betrieb, weil auf der 2200 kein Programm für die Anlagenbuchhaltung vorhanden war. Möglicherweise eine Sparmaßnahme – das lässt sich heute wohl nicht mehr beurteilen. Um also die 90/30 abzulösen bekam ich die Aufgabe, auf einem PC eine neue Anlagenbuchhaltung für die Westfalen AG zu programmieren. Der PC hatte die gewaltige Ausstattung von 640 KB RAM (Arbeitsspeicher) und zwei 30-MB-Festplatten.
Ich lernte viel über Anlagenbuchhaltung und das von mir geschriebene Programm wurde bis zur Einführung von SAP eingesetzt.

Modern, power home desktop computer. PC system

Ausgestanzt

Auch die Ablösung von Lochkarten und Lochkartenstanzern sollte zu meiner Aufgabe werden. Mit solchen Stanzern wurden Daten erfasst, die erstellten Lochkarten wurden in die Großrechner eingelesen. 
Ich setzte mich mit der Funktionsweise dieser Geräte auseinander und schrieb in Turbo Pascal  ein Programm für MSDOS-Personal Computer (Windows gab es noch nicht). Um den Datenerfasserinnen den Umstieg auf den PC leicht zu machen, wurde das Programm vom Ablauf her der Arbeit an den Stanzern nachgebildet. Die erfassten Dateien wurden über serielle Verbindungen zur 2200 transportiert. Durch den Einsatz der PCs konnten Fehlerquellen minimiert werden, es wurde Zeit und Platz gespart.
Lochkarte

Neue Anforderungen, neue Übertragungswege, neue Zahlungsmittel

unisysEbenfalls über die Unisys 2200 lief die Abrechnung für unsere Tankstellenpartner. Unsere Partner sandten ihre Belege an Westfalen, wo sie erfasst wurden und so die Grundlage für die monatliche Abrechnung bildeten. Heute bekommen wir die Daten per elektronischer Datenübertragung.

Um für solche Anforderungen gewappnet zu sein, wurde damals ein Tankstellen Management- und Abrechnungssystem mit dem Namen TMAS eingeführt. Ein Multiuser Unix System und eine Oracle-Datenbank wurden installiert, die Software entwickelte die Firma CHW. Die Betreuung des Rechners und die Administration der Datenbank gehörte nun genauso zu meinen Aufgaben, wie die technische Unterstützung meiner Kollegen aus dem Bereich Tankstellen.

TMAS wird auch aktuell noch eingesetzt. Es wurde – teilweise auch durch mich – ständig erweitert und angepasst. Unsere Flottenkarte, die Westfalen Service Card, wird ebenfalls mit TMAS abgerechnet. Als elektronische Kassen an Tankstellen Einzug gehalten hatten und Karten zum gängigen Zahlungsmittel wurden, gründeten Westfalen, ELF und die Total (später kam die AGIP dazu) die WEAT GmbH.

Die Gesellschafter der WEAT stellten IT’ler ab, um Software und Schnittstellen zu konzipieren. Für mich war die Arbeit in diesem Gremium immer sehr interessant.

Vernetzt

Das erste Netzwerk der Westfalen AG habe ich zusammen mit einem Physiker geplant, der im Rechenzentrum der Universität Münster arbeitete. Die konkrete Umsetzung dieses Netzwerkes in einem Wirtschaftsunternehmen war für die Universität derart interessant, dass ich eingeladen wurde, einen entsprechenden Vortrag an der Universität zu halten.

Heute kümmert sich bei Westfalen innerhalb der IT eine ganze Gruppe von Mitarbeitern um die Hardware und Netzwerktechnik.

Zum guten Schluss

Ich könnte noch Vieles erzählen – von den ersten computergestützten Auswertungen und Statistiken für unsere betriebswirtschaftliche Abteilung, von der Einführung der ADS49 Anker bei unseren Tankstellenpartnern, den darauf folgenden notwendigen Support, über unsere Interbase Datenbank und Delphi für unser Tankstellen-Pricing, die Programmierung einer Anwendung für die Kunden unserer Westfalen Service Card, darüber wie man zum Spezialisten für die Übertragung mittels OFTP (Odette File Transfer) wird und, und, und.

So allmählich verabschiede ich mich aus meinem Arbeitsleben und von meinem langjährigen Arbeitgeber, der Westfalen Gruppe. Nach mehr als 25 Jahren Betriebszugehörigkeit mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

Auch räumlich werde ich mich von Münster entfernen und mich in Deutschlands Norden nun intensiver meinem Hobby, dem Crossbikefahren widmen. Beibehalten werde ich ganz sicher mein Interesse an allem, was mit IT und Kommunikation zu tun hat. Meinen Kollegen und der Westfalen Gruppe wünsche ich weiterhin alles Gute, viel Erfolg und immer perfekte Datenströme 🙂

Viele Grüße
Christian Vach

Header-Bild: #54367299 | © vschlichting – Fotolia.com
Desktop-PC: Datei: #55811574 | Urheber: Oleksandr Delyk– Fotolia.com
Lochkarte: #65995495 | © Schlichi – Fotolia.com

6 Kommentare Gib deinen ab

  1. Peter Hardebeck sagt:

    Hallo Christian,

    vielen Dank für Deinen, nicht nur für IT’ler, interessanten Beitrag.

    Wir haben hier Dinge und Technologien gelesen, die manche Leser bestimmt nicht mehr kennen.
    Teilweise ich auch nicht!

    Auch ich wünsche Dir, u.a. auf diesem “Datenwege”, alles Gute für Deine zukünftigen Projekte und Planungen.

    Wir sehen uns in Münster

    Gruß
    Peter

  2. Helge Wego sagt:

    Lieber Herr Vach,

    Ihre Schilderungen haben mir noch einmal vor Augen geführt, wie schnell sich doch die technischen Anforderungen an die IT im Laufe der Jahre gewandelt haben. Vielen Dank für den einen oder anderen Schmunzler. Toll geschrieben – auch für den technischen Laien nachvollziehbar! 😉

    Ihnen alles Gute im Norden!

    Ihr Helge Wego

  3. Mike Rohlmann sagt:

    Wilde Zeiten,

    Commodore C 64, floppy disk und Datasetten waren auch meine “Freunde”. Oft genug versucht mit einen Kugelschreiber als Drehhilfe zu retten. Von den Zählerstandnotizen mal ganz zu schweigen.

    Ihnen alles Gute in Norddeutschland

    Mike Rohlmann

  4. Oliver Klein sagt:

    Hallo Christian,

    da war auch einiges vor meiner Zeit, aber es ist schon eine rasante Entwicklung in der IT, nicht auszudenken wo wir dann in 25 Jahren sind…
    Dir alles Gute und immer eine Handbreit “Dreck” unterm Crossrad… 😉

  5. Peggy Seeberger sagt:

    Hallo Herr Vach,

    sehr interessanter Beitrag an dem man sehen kann, wie die Zeit vergangen ist.
    …., als ich die Lochkarte sah, musste ich grinsen… 🙂

    Viel Spaß im Unruhestand und immer gute Gesundheit,

    wünscht Ihnen Peggy Seeberger

  6. Andre Stracke sagt:

    Hallo Herr Vach,

    vielen Dank für Ihren tollen Beitrag – hat großen Spaß gemacht diesen zu lesen. Alles Gute und bleiben Sie gesund. 🙂

    Andre Stracke

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